Der Codex Atlanticus umfasst 1119 Seiten und dokumentiert Leonardos gesamtes Leben als Künstler und Wissenschaftler von 1478, als Leonardo noch in seiner toskanischen Heimat arbeitete, bis 1519, als er in Frankreich starb.
Die Skizzen und Beschreibungen im Codex Atlanticus befassen sich mit verschiedenen Themen, von der Mechanik bis zur Hydraulik, von Studien und Skizzen für Gemälde bis zur Mathematik und Astronomie, von philosophischen Betrachtungen bis hin zu Fabeln, und schließlich auch mit Leonardos kuriosen Erfindungen wie Fallschirmen, Kriegsmaschinen und hydraulischen Pumpen.
Die lange Reise des Codex Atlanticus
In seinem Testament vermachte Leonardo seine Schriften seinem treuen Schüler Francesco Melzi, der den Meister an den Hof des französischen König Franz I. begleitete.
Melzi war sich des unschätzbaren Wertes dieses Vermächtnisses und des enormen Vertrauens, das sein Meister in ihn hatte, durchaus bewusst. Er bewahrte die Handschriften nach Leonardos Ableben sorgfältig in seiner Villa in Vaprio D'Adda bei Mailand bis zu seinem eigenen Tod im Jahr 1570 auf.
Leider erwiesen sich seine Nachkommen nicht als gleichermaßen bemüht um den Erhalt dieses Kulturdokument. Sie machten es zum Objekt der Begierde von bedenkenlosen Kunsthändlern.
Glücklicherweise gelang es dem Bildhauer Pompeo Leoni Ende des 16. Jahrhunderts einige der Handschriften Leonardos von Melzis Erben zu erwerben. Er nahm sich vor, sie auf große Blätter zu montieren, die damals für die Herstellung von Atlanten verwendet wurden. Aus diesem Grund wurde die Blättersammlung fortan Codex "Atlanticus" genannt.
Leoni hielt sich jedoch nicht an genaue Ordnungskriterien, sondern bevorzugte die ästhetische Gesamtwirkung des Bandes. Er erstellte eine Blättersammlung ohne eine thematische Ordnung einzuhalten.
Der Codex wurde später von einem der Erben Leonis an den Markgrafen Galeazzo Arconati verkauft, der seinen wahren Wert erkannte und 1637 beschloss, ihn der Mailänder Biblioteca Ambrosiana zu schenken, die aufgrund ihrer Aufgabe, die der Kultur und dem wissenschaftlichen Fortschritt gewidmet war, in der Lage sein würde, die Erhaltung und Weitergabe des Codex an künftige Generationen sicherzustellen.
Den Experten, die nach der Eroberung Mailands durch Napoleon Bonaparte im Jahr 1796 die Liste der nach Paris zu überführenden Werke zusammenstellten, entging ein solcher Schatz jedoch nicht. Aus diesem Grund befand sich der Codex Atlanticus für 17 Jahre in Frankreich, wo er im Louvre aufbewahrt wurde.
1815, als der Wiener Kongress die Rückgabe aller von Napoleon geraubten Kunstwerke an ihre Herkunftsländer beschloss, wurde der Codex an die Mailänder Ambrosiana zurückgegeben, wo er bis heute sorgfältig aufbewahrt wird.
Der Codex Atlanticus heute
Die thematische Unordnung sowie das Alter des Codex Atlanticus sorgten dafür, dass der Inhalt für eine lange Zeit kaum von Historikern untersucht wurde.
Um es Historikern und allen Interessierten möglich zu machen, Leonardos Gedanken und Erfindungen selbst zu studieren, musste ein Lösung gefunden werden. Gleichzeitig steht auch der langfristige Erhalt dieses Wissensschatzes an höchster Priorität.
Daher beschloss das Bibliothekskollegium im Jahr 2008 die Zerlegung der 12 Bände des Codex Atlanticus. Die einzelnen Blätter wurden dann in Passepartouts aufbewahrt, die speziell entwickelt wurden, um die beste Konservierung zu gewährleisten und gleichzeitig die Ausstellung zu erleichtern.
Weitere Seiten aus dem Codex
Einige Seiten sind in hoher Auflösung auf der Website der Bibliothek Ambrosiana zu sehen. Hier findest du einen Auszug an Bildern: