Edvard Munchs Darstellung eines entkräfteten Mannes, der seinen Kopf in den Schoß einer rothaarigen Frau legt, ist seit ihrer ersten Ausstellung vor mehr als einem Jahrhundert äußerst polarisierend und hat heftige Debatten über die Bedeutung des Motivs ausgelöst.
Die vielen Fassungen von Edvard Munchs Vampir
Der norwegische Künstler Edvard Munch ist dafür bekannt, seine zentralen Motive in vielen Versionen abgebildet zu haben.
Auch das Bildmotiv Vampir - oder wie der Künstler es zunächst nannte: Liebe und Schmerz - malte und druckte er in zahlreichen Fassungen. In zwei Schaffensphasen, die etwa 20 Jahre auseinander liegen, schuf Munch insgesamt 13 Versionen des Motivs.
Zwischen 1893 und 1895 malte Munch sechs Versionen desselben Motivs:
Auch zwei Lithografien des Bildes wurden von Munch in dieser Zeit angefertigt.
Dasselbe Motiv wiederholte er zwischen 1916 und 1918 in fünf weiteren Gemälden. Einige der Werke aus der zweiten Periode zeigen die beiden Figuren vor einem Waldhintergrund und sind in deutlich helleren Farbtönen gemalt.
Munch sagte, er male das, woran er sich erinnere, nicht das, was er gesehen habe. So war jede neue Version seiner Bilder seine Art, eine Erinnerung wiederzufinden und sie sich als Kunstwerk entwickeln zu sehen.
Mit jeder neuen Version eröffnet sich ein neuer Zugang zum Leben des Künstlers und zu seinem seelischen Zustand, der sich in Farbe, Größe und Technik deutlich widerspiegelt.
Interpretationsansätze und Munchs Erläuterung
Seit der ersten Ausstellung in Berlin im Jahr 1902 hat Edvard Munchs Vampir zu einer Reihe von Interpretationen geführt, wobei die vermeintliche Abbildung eines Vampirs, die dem Werk seinen Beinamen gegeben hat, die bekannteste Deutung ist.
- 1Der polnische Schriftsteller, Kunstkritiker und Freund von Munch Stanisław Przybyszewski sah in dem Gemälde das Abbild eines weiblichen Vampirs, die ihre Zähne in den Nacken eines zerrütteten Mannes bohrte.
- 2Andere wollen in dem Motiv einen Mann sehen, der eine Prostituierte umarmte. Häufig wird das mit dem feurig roten Haar der weiblichen Figur begründet.
- 3Auch wollten manche Betrachter eine Andeutung an den tragischen Tod der Schwester des Künstlers in Edvard Munchs Vampir sehen.
Munch wies diese Interpretationsansätze zurück und bestand darauf, dass das Motiv lediglich eine Frau zeigt, die einen Mann am Nacken küsst, während sich die beiden Figuren umarmen.