Gemälde

Bildbeschreibung und Analyse von Judith Leysters Meisterwerk aus dem 17. Jahrhundert

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, 1631Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, 1631

Judith Leyster (1609-1660) war eine der wenigen Künstlerinnen in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Sie malte vorwiegend Szenen aus dem täglichen Leben, wie auch dieses Gemälde, das den Titel Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld trägt.

In dieser Bildanalyse des Gemäldes findest du eine Übersicht der formalen Eigenschaften, eine Bildbeschreibung sowie eine Deutung der Symbolik unter Einbeziehung der Komposition und der verwendeten Maltechniken. 

Formale Eigenschaften von Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld

Judith Leyster malte das Genrebild Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld im Jahr 1631. Es handelt sich um eine kleinformatige Darstellung mit einer Höhe von 30,8 cm und einer Breite von 24,2 cm. Das Bild wurde in Öl auf Holz gemalt, was in den Niederlande des 17. Jahrhunderts üblich war. 

Bildbeschreibung und Deutung der Symbolik

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, 1631, Detail der Handlung

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, 1631, Detail der Handlung

Im Schein einer qualmenden Öllampe ist eine junge Frau mit Näharbeiten beschäftigt. Ein Mann mit einer Pelzmütze hält glänzende Münzen in seiner rechten Hand und versucht, ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Obwohl er seine andere Hand auf ihre Schulter gelegt hat, ignoriert sie ihn. Werden wir Zeugen von käuflicher Liebe, oder wird die Frau das Angebot ablehnen?

Ein solch schamloses Angebot war in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv. Die Spannung ist dabei unausweichlich: Wird die Frau nachgeben oder tugendhaft bleiben? Diese junge Frau scheint auf die Annäherungsversuche des Mannes nicht zu reagieren. Ordentlich gekleidet geht sie ihren häuslichen Pflichten nach.

Sie ist keusch und tugendhaft gekleidet in der blau-weißen Farbkombination der Jungfrau Maria und konzentriert sich ganz auf ihre Näh- oder Stickarbeit. Ihre Handarbeit zeigt ihren Fleiß, ihre Tüchtigkeit und ihre Bescheidenheit.

Der Fußwärmer, dessen glühende Kohlen unter dem Rocksaum der Frau zu sehen sind, entsprach einem Bildercode der damaligen Zeit und stellte den Familienstand der Frau dar:

  • Ein ganz unter dem Rock befindlicher Fußwärmer wies auf eine verheiratete Frau hin (wie in diesem Gemälde)
  • Ein halb unter dem Rock hervorstehender Fußwärmer, auf dem der Fuß der Frau zu sehen ist, wies auf eine Frau hin, die für einen männlichen Verehrer empfänglich sein könnte
  • Ein Fußwärmer, der sich überhaupt nicht unter der Frau befindet und keine Kohlen enthält, wies auf eine alleinstehende Frau hin 

Diese Symbolsprache findet sich auch in anderen Meisterwerken wie in Vermeers Dienstmagd mit Milchkrug.

Fußwärmer Judith Leyster

Das zentrale Thema des Gemäldes

Die Szene thematisiert auch die Ungleichheit der Geschlechter. Die Dynamik von Gegensätzen kann zu interessanten Wechselbeziehungen zwischen den Figuren führen. 

Einige Beispiele, die in diesem Gemälde hervorgehoben werden, sind die Gegensätze von Tugend und Laster, Reife und Jugend, Aktivität und Passivität sowie Anmaßung und Bescheidenheit.

Die Kontraste in den feinen Details der Figuren zeugen von einem beeindruckenden Realitätsbezug. Zum Beispiel hält die raue Hand des Mannes das glänzende Geld, während die weiche Hand der Frau den matten Stoff hält. Sein Leben ist rau und wild, während ihr Leben sanft und leise ist.

Judith Leyster hatte einen bemerkenswerten Scharfsinn bei der Ausarbeitung der Idee der ungleichen Liebe, die 1631 noch eine ungewöhnliche Vorstellung war. Erst zwei Jahrzehnte später, in den 1650er Jahren, fand das Motiv weite Verbreitung. 

Leysters Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld legte den Grundstein für spätere Künstler, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigten, darunter Gabriël Metsu und auch Johannes Vermeer. 

Kompositorische Unausgewogenheit

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, Drittelung

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, Drittelung

Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld setzt mit seiner dezentrierten Komposition ein Statement. 

Die zwei Figuren dominieren die linken zwei Drittel des Gemäldes, während das rechte Drittel quasi leer ist. Diese Disproportionalität zwischen Handlung und Leere erzeugt ein hohes visuelles und kompositorisches Interesse.

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, Drittelung-2

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, Kompositionsdrittelung farbig

Sieht man sich die beiden Figuren näher an, fällt zunächst auf, dass die junge Frau im Mittelpunkt steht. Die Positionierung des Mannes am linken Bildrand unterstreicht die Missliebigkeit seiner Absichten. Während die Frau sich ihrer Aufgabe widmet, drängt sich der Mann ihr auf und will sie von ihrer Tätigkeit abbringen.

Einige Kunsthistoriker argumentieren, dass die Komposition ursprünglich ausgewogener und zentrierter war. Die Holztafel soll im Nachhinein beschnitten wurden, da sie am linken Rand von Holzwürmern beschädigt gewesen sein soll. 

Das kompositorische Ungleichgewicht kann beabsichtigt oder eine Folge davon gewesen sein. Ungeachtet dessen trägt sie zur visuellen Stärke des Gemäldes bei.

Judith Leysters meisterhaftes Chiaroscuro

Die Technik des Chiaroscuro bezeichnet die Verwendung starker Kontraste zwischen Helligkeit und Dunkelheit. Lebendiges Licht kontrastiert mit dem tiefsten Schatten. Das Licht der Kerze lässt das erregte Gesicht des Mannes und das ruhige Gesicht der Frau erkennen.

Die Brust der Frau erstrahlt wie ein Leuchtfeuer der Tugend, während die Fellmütze des Mannes wie ein Zeichen der Schändlichkeit schimmert. In direktem Kontrast dazu stehen der Rock und der Stuhl der Frau. Sie sind in einen dunklen Schatten gehüllt, in dem ihre Formen kaum sichtbar sind. Sehen wir eine nächtliche Szene oder ein nur schwach beleuchtetes Zimmer? 

Auch wenn es dazu keine sichere Antwort gibt, betonen die Hell-Dunkel-Kontraste in dem Gemälde zweifelsfrei die Spannung und die Dramaturgie der Szene. Durch das Chiaroscuro wird die Handlung rätselhafter aber auch lebhafter.

Abschließende Gedanken zu dem Gemälde

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, 1631

Judith Leyster, Ein Mann bietet einer jungen Frau Geld, 1631

Judith Leyster war eine meisterhafte Künstlerin mit Talent, Courage und Persönlichkeit. In ihren Gemälden herrscht oft Ruhe und Schönheit, aber auch Ungewissheit und Dunkelheit. Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld ist ein perfektes Beispiel für eine Szene, die viele Konnotationen miteinander vereint.

In der jüngeren Vergangenheit haben vor allem feministische Gruppierungen das Gemälde als frühes Dokument des männlichen Fehlverhaltens und der moralischen Mängel für ihre Zwecke beansprucht. Dabei berufen sie sich vor allem auf die Bildanalyse der US-amerikanischen Kunsthistorikerin Frima Fox Hofrichter aus den 1980er Jahren.

Die obige Bildanalyse stützt diesen Eindruck, doch wäre es voreilig zu sagen, dass es sich bei der Intention der Künstlerin genau darum gehandelt haben muss. 

Denn es gibt Historiker, die der Meinung sind, dass es damals ganz normales Balzverhalten gewesen sei, der Frau zu Beginn einer Beziehung einen Teil des Vermögens zu überlassen, um ihr soziale Sicherheit und einen angesehen Status zu bieten. Dementsprechend sei das Verhalten des Mannes nicht unangemessen gewesen, sondern entspräche den Gepflogenheiten der Entstehungszeit des Gemäldes.

So oder so ist Judith Leysters Ein Mann bietet einem jungen Mädchen Geld ein beeindruckendes Meisterwerk des Goldenen Zeitalters der Niederlande, das viel Material für Spekulationen bietet und damit Generationen von Betrachterinnen und Betrachtern in seinen Bann zieht.

Lenny
Der AutorLenny
Als Gründer von Daskreativeuniversum teile ich mein Fachwissen im Bereich der Kunstgeschichte und meine Erfahrungen in der zeitgenössischen Kunst mit dir.