Malerei

Vanitas Stillleben – Alles über das Vergänglichkeitsmotiv

Pieter Claesz Vanitas StilllebenPieter Claesz, Vanitas Stillleben, 1630

Im Europa des 17. Jahrhundert wurde ein düsterer Bildtypus der Stilllebenmalerei immer beliebter. In einer Zeit des aufstrebenden Handels und häufiger militärischer Unruhen waren diese als Vanitas Stillleben bezeichneten Gemälde gespickt mit symbolischen Gegenständen, die die Vergänglichkeit des Lebens, die Nichtigkeit der irdischen Vergnügungen und das sinnlose Streben nach Macht und Ruhm betonen sollten.

Erfahre, was ist mit dem Vanitas-Motiv auf sich hat, welche Merkmale solche Stillleben auszeichnet und welche Künstler sich als wegweisend für das Genre hervortaten.

Definition und Historie der Vanitas Stilllebenmalerei

In der bildenden Kunst bezieht sich der Begriff Stilllebenmalerei (abgeleitet vom niederländischen Wort Stilleven) auf eine Art der Malerei, die typischerweise aus einer Anordnung von unbelebten Objekten besteht, die auf einer Fläche positioniert sind.

Traditionell malten Stilllebenkünstler Blumen, Früchte, Gefäße oder Küchenutensilien, aber heute wird fast jeder Gegenstand in ein Stillleben aufgenommen.

Der Begriff Vanitas beschreibt eine bestimmte Art von Stillleben. Wir können ein Vanitas-Gemälde als "Stillleben mit symbolischen Objekten, das eine Botschaft über die Vergänglichkeit des irdischen Lebens im Gegensatz zur Beständigkeit christlicher Werte vermittelt" definieren.

Diese Form der christlichen Kunst wurde von niederländischen Künstlern während des niederländischen Goldenen Zeitalters des frühen 17. Jahrhunderts perfektioniert und ist über Flandern nach Frankreich und Spanien gelangt. In Deutschland waren .

Merkmale des Vanitas Motivs

Zusammenfassend lassen sich folgende Merkmale eines Vanitas Stilllebens festhalten:

  • Das lateinische Wort Vanitas bedeutet im Deutschen so viel wie Eitelkeit
  • Ein Vanitasbild versucht die Bedeutungslosigkeit irdischer Güter und Bestrebungen im Vergleich zur ewigen Natur wahrer christlicher Werte zu vermitteln.
  • Die Betrachter werden gebeten, ihre fehlgeleitete Begierde nach weltlichen Freuden und Gütern zu überdenken, sich ihrer Sterblichkeit bewusst zu werden und für ihre Sünden Buße zu tun.
  • Vanitas-Stilleben waren bei wohlhabenden Protestanten für ihren Realismus und ihre moralische Botschaft beliebt, aber auch, weil sie dazu beitrugen, ihr Gewissen zu beruhigen, weil sie selbst so viel weltlichen Reichtum angehäuft hatten.

Wiederkehrende Vanitas Elemente

Typische Elemente, die in Vanitasbildern des 17. Jahrhunderts verwendet wurden, waren eine Reihe von Gegenständen mit symbolischen Charakter. 

Hier eine Übersicht mit Beispielen beliebter Gegenstände und deren Assoziationen:

  • Reichtum und Macht - wie Gold, Schmuck, Münzen, Geldbörsen
  • Irdisches Vergnügen - wie Luxusstoffe, Pfeifen, Weingläser, Würfel, Spielkarten
  • Weltliches Wissen - wie Bücher, Tintenfässer und Kugelschreiber, Karten, Teleskope
  • Unvermeidlichkeit des Todes/Vergehens der Zeit (verbunden mit dem Thema Memento mori) - Totenkopf, Sanduhr, Zeitmesser, Uhr, brennende Kerze, Schmetterlinge, Blumen, Früchte

Auch der Art und Weise, wie einzelne Gegenstände dargestellt oder zueinander angeordnet wurden, wohnte eine spezielle Bedeutung inne. Nachfolgend einige Beispiele:

Manchmal wurden die Objekte in Unordnung gebracht, was ihre inhärente Schwäche oder die Sinnlosigkeit der Errungenschaften, die sie symbolisieren, zum Ausdruck bringt.

Eine geschälte Zitrone zeigt, dass die Dinge attraktiv aussehen können, aber trotzdem einen sauren Geschmack haben.

Nichts konnte den Egoismus und die vergängliche Lebensqualität besser ausdrücken als ein Totenschädel. Auf der Suche nach dem Kontakt mit dem Betrachter des Gemäldes veranschaulicht der Schädel nicht nur die eigene Vergänglichkeit des Betrachters, sondern auch die der gesamten Menschheit und aller menschlichen Bestrebungen.

Eine noch umfangreichere Interpretation einzelner Vanitas Symbole findest du auf Wikipedia.

 

Zum Nachdenken: Ironischerweise waren die Vanitas-Gemälde an sich auch wertvolle weltliche Güter und wurden so selbst zu "Vanitas"-Objekten.

Ursprünge der Vanitas-Malerei

Hans Holbein der Jüngere, Erasmus von Rotterdam

Hans Holbein der Jüngere, Erasmus von Rotterdam, 1523

Vanitas-Stillleben erschienen in Nordeuropa erstmals in den späten 1520er Jahren und gewannen allmählich an Popularität. So vollendete der deutsche Künstler Hans Holbein eine Porträtserie mit Stillleben-Motiven im Vanitas-Stil. Als frühes Beispiel kann das Porträt des Erasmus von Roterdam von 1523 angeführt werden.

In gewisser Weise erfüllte der verborgene religiöse Inhalt dieser Vanitas-Werke ein seelisches Bedürfnis, das durch die Entscheidung der evangelischen Kirche, keine großen religiösen Werke in Auftrag zu geben, vernachlässigt wurde.

Das Zentrum der Vanitas-Malerei war die niederländische Stadt Leiden. Leiden war ein wichtiger Ort der calvinistischen Theologie, die sich auf die sündhafte Natur des Menschen und seinen strengen Moralkodex konzentrierte.

Damals hatten einzelne Städte eine Vorliebe für bestimmte Vanitas-Symbole. So bevorzugten Kunstsammler in Leiden - eine Universitätsstadt - Bücher und Totenköpfe, während Sammler in Den Haag - ein Marktzentrum - Fisch mit seiner traditionellen christlichen Bedeutung bevorzugten. Kunstliebhaber in Amsterdam wiederum waren von Blumen angetan.

Das Genre der Vanitas-Stilllebenmalerei ging ab etwa 1650 zurück, obwohl Stillleben bei Sammlern bis heute beliebt sind und einige bedeutende Künstler der Moderne zu ihren größten Vertretern zählen: Van Gogh, Paul Cezanne und Giorgio Morandi sind nur drei der großen Künstler, die sich in dem Bildgenre austobten.

Bekannte Vanitas-Maler der Niederlande und Europa

Während der goldenen Ära der niederländischen Barockkunst entstanden in Städten wie Haarlem, Delft, Leiden, Utrecht, Dordrecht und Amsterdam eine Reihe von künstlerischen Zentren.

Zu den größten Vanitas-Malern dieser Schulen gehören die folgenden:

  • Aus Leiden: David Bailly - oft zu Unrecht als Erfinder des Bildtypus anerkannt
  • Aus Delft: Harmen van Steenwyck
  • Aus Utrecht: Jan Davidsz de Heem
  • Aus Amsterdam: Willem Kalf
  • Aus Haarlem: Willem Claesz Heda und Pieter Claesz
  • Aus Dordrecht: Samuel van Hoogstraten

Darüber hinaus könnte man Jan Vermeer als Vanitas-Maler einbeziehen, da viele seiner einzelfigurigen Genre-Gemälde ebenso einee moralische Symbolik aufweisen wie ein Werk von van Steenwyck.

In Frankreich wurde das Stillleben und die Vanitas-Malerei von Simon Renard de Saint-André und Jean Chardin angeführt, während in Spanien der wichtigste Vanitas-Künstler Francisco de Zurbaran war.

 

Hinweis: In Deutschland war dieser Bildtypus der Stilllebenmalerei im frühen 17. Jahrhundert nicht so stark verbreitet. Wichtige Beispiele liefern Künstler wie Broder Matthisen, Georg Flegel sowie dessen Schüler Jacob Marrel.

Beispiele: Bedeutende Vanitas Stillleben in Europa

Harmen van Steenwyck

Allegorie der Vanitas des menschlichen Lebens

Harmen van Steenwyck, Allegorie der Vanitas des menschlichen Lebens, ca. 1640-45

  • Allegorie der Vanitas des menschlichen Lebens; National Gallery London
  • Stillleben mit Totenkopf, Büchern, Flöte und Pfeife; Kunstmuseum Basel
  • Stillleben mit Erdkrug, Fisch und Obst; Rijksmuseum Amsterdam
  • Stillleben mit Fisch, Pfirsichen, Eimer, Beeren & Gurke;  Rijksmuseum

Willem Kalf

Stilleben mit chinesischer Dose und Nautiluspokal, 1662

Stilleben mit chinesischer Dose und Nautiluspokal, 1662

  • Stilleben mit chinesischer Dose und Nautiluspokal, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid.

Willem Claesz Heda

Willem Claesz Heda, Frühstück mit Krabbe, 1648

Willem Claesz Heda, Frühstück mit Krabbe, 1648

  • Frühstück mit Krabbe, Eremitage, St. Petersburg

Jan Davidsz de Heem

Stilleben mit Nautiluspokal, Hummer und Weinbecher
  • Stilleben mit Nautiluspokal, Hummer und Weinbecher, Staatsgalerie, Stuttgart.
  • Blumenstilleben mit Kruzifix und Totenkopf, Alte Pinakothek, München.
  • Vanitas Stillleben mit Musikinstrumenten, Rijksmuseum, Amsterdam.
  • Stillleben mit geschälter Zitrone, Louvre, Paris

Georg Flegel

Georg Flegel, Abendmahlzeit bei Kerzenschein, ca. 1635-38

Georg Flegel, Abendmahlzeit bei Kerzenschein, ca. 1635-38

  • Abendmahlzeit bei Kerzenschein, Privatsammlung
  • Stillleben mit Becher, Metropolitan Museum of Art
Lenny
Der AutorLenny
Als Gründer von Daskreativeuniversum teile ich mein Fachwissen im Bereich der Kunstgeschichte und meine Erfahrungen in der zeitgenössischen Kunst mit dir.