Malerei

Vincent van Goghs Kopien anderer Künstler zeigen seine Begeisterung für vielerlei Motive und Kunststile

Vincent van Goghs Kopien

Vincent van Gogh ist heute für seinen unaufhaltsamen Schaffensdrang bekannt. In rund einem Jahrzehnt, nachdem er beschloss, sich hauptberuflich der Malerei zu widmen, schuf er mehr als 2.000 Kunstwerke.

Da es ihm vielfach an direkten Modellen für seine Werke mangelte, beschäftigte sich van Gogh intensiv mit den Arbeiten seiner Künstlerkollegen.

Die Inspiration, die er dabei zur Kristallisierung seines eigenen Stil erhielt, war dabei äußerst vielfältig. Während er einige Motive von Delacroix und Millet quasi identisch in seinen eigenen Malstil übertrug, halfen ihm japanische Druckgrafiken einige Jahre zuvor, überhaupt erst zu diesem Stil zu gelangen.

Sehen wir uns an, wie Vincent van Goghs Kopien der Arbeiten anderer Künstler sein eigenes Werk geformt haben und welche Künstler ihn dabei besonders anregten.

Van Goghs Kopien nach Eugène Delacroix

Der barmherzige Samariter (nach Delacroix)

Eugène Delacroix, Der barmherzige Samariter, 1849

Eugène Delacroix, Der barmherzige Samariter, 1849

Vincent van Gogh, Der barmherzige Samariter (nach Delacroix), Mai 1890

Vincent van Gogh, Der barmherzige Samariter (nach Delacroix), Mai 1890

Die Motivvorlage für das Gemälde stammt von Eugène Delacroix und wurde von dem französischen Künstler im Jahr 1849 gemalt. Vincent van Gogh schuf seine Version des Barmherzigen Samariters im Mai 1890. Das Gemälde von Vincent van Gogh ist spiegelverkehrt zur Vorlage, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass es anhand eines Drucks kopiert wurde.

Van Gogh verleiht dem Gemälde der Romantik mit seiner charakteristischen Pinselführung in kleinen, energischen Strichen eine neue Lebendigkeit. Auch die Farben unterscheiden sich vom Delacroix' Gemälde. Statt der warmen Braun- und Rottöne verwendet der niederländische Künstler eher gedämpfte Ocker- und Blautöne.

Das Motiv bezieht sich aus eine Bibelstelle im Lukasevangelium, die in Kapitel 10, Vers 33 und 34 zu finden ist.

"Ein Samariter aber reiste und kam dahin; und da er ihn sah, jammerte ihn sein, ging zu ihm, verband ihm seine Wunden und goß darein Öl und Wein und hob ihn auf sein Tier und führte ihn in die Herberge und pflegte sein."

Pietà (nach Delacroix), 1889

Der barmherzige Samariter ist nicht das einzige Werk, das Vincent van Gogh nach eine Vorlage von Eugène Delacroix schuf. Auch zwei Versionen der Pietà von Delacroix fertigte er an.

Eugène Delacroix, Pietà, 1850

Eugène Delacroix, Pietà, 1850

Vincent van Gogh, Pietà (nach Delacroix), 2. Version, 1889

Vincent van Gogh, Pietà (nach Delacroix), 2. Version, 1889


Kopien nach Jean-François Millet

Van Gogh bewunderte besonders das Werk des Realisten Francois Millet und kopierte mehrere seiner Gemälde.

Er war der Meinung, dass der französische Künstler ein Gleichgesinnter war, da auch er das wirkliche Leben der Bauern darstellen wollte.

Mittagsruhe (nach Millet), Januar 1890

Jean Francois Millet, Mittagsruhe, 1866

Jean Francois Millet, Mittagsruhe, 1866

Vincent van Gogh, Mittagsruhe nach Millet, Januar 1890

Vincent van Gogh, Mittagsruhe nach Millet, Januar 1890

In Mittagsruhe verwandelte Van Gogh Millets Pastellbild in ein Ölgemälde. Indem er seine charakteristische Pinselführung verwendet und die blau-violetten Töne der Bauernkleidung mit dem Gelborange des Heues kontrastiert, verleiht er dem Werk eine neue Perspektive.

Das Gemälde von van Gogh befindet sich heute im Musée d'Orsay und zählt zu den Highlights der Sammlung des Museums.

Der Sämann (nach Millet)

Jean-François Millet, Der Sämann, 1850

Jean-François Millet, Der Sämann, 1850

Vincent van Gogh, Der Sämann (nach Millet), Oktober 1889

Vincent van Gogh, Der Sämann (nach Millet), Oktober 1889

Van Goghs Der Sämann ist ebenfalls eine Neuinterpretation eines Kunstwerks von Millet. Van Gogh war geradezu besessen von diesem Werk und fertigte gleich mehrere Kopien an. Zuerst fertigte er exakte Kopien des Motivs von 1850 an.

Seine erste Zeichnung der Vorlage stammt aus dem Jahr 1881, nur kurz nachdem er sich hauptberuflich dem Künstlerdasein widmete. 

Doch während seines Aufenthalts in Arles im Juni 1888 beschloss er, die Figur des Sämanns in eine seiner eigenen Kreationen einzufügen. Diese nachfolgende Version ist eine Kombination des Sämannmotivs nach Millet und van Goghs Begeisterung für die Weizenfelder in seinem Umfeld.

Vincent van Gogh, Der Sämann, Arles, 1888

Vincent van Gogh, Der Sämann, Arles, 1888

Er entfernt sich von der Dämmerungsstimmung des Originals und verwendet stattdessen lebhafte Gelb- und Blautöne, die die Kraft der Sonne betonen.

Die Sonne als ewige Stifterin des Lebens steht in der Szene im Mittelpunkt. Im Hintergrund des Motivs sehen wir ausgewachsene Pflanzen, was als Hinweis auf den Kreislauf des Lebens verstanden werden kann.


Vincent van Goghs Kopie nach Doré

Gustave Doré, Newgate Exercise yard, 1872

Gustave Doré, Newgate Exercise yard, 1872

Vincent van Gogh, Runde der Gefangenen, Januar 1890

Vincent van Gogh, Runde der Gefangenen, Januar 1890

Hier läuft eine Gruppe von Gefangenen im Hof im Kreis, um sich ein wenig zu bewegen. Auf der rechten Seite stehen die Wachen, die sie überwachen. Die meisten Häftlinge scheinen mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein.

Nur ein Häftling, der sich im vorderen Abschnitt des Kreises befindet, erhebt seinen Kopf und blickt dem Betrachter direkt entgegen. Aufgrund seines Porträts wurde diese Figur häufig als Selbstporträt des Künstlers bezeichnet. Sein rotes Haar verleiht dem ansonsten kalten Gemälde einen lebendigen Farbtupfer.

Van Gogh fertigte diese Kopie an, nachdem er sich intensiv mit einem Stich von Gustave Doré auseinandergesetzt hatte.


Van Goghs Kopien japanischer Druckgrafiken

Keisai Eisen, Eine Kurtisane, Nishiki-e, ca. 1820

Keisai Eisen, Eine Kurtisane, Nishiki-e, ca. 1820

Vincent van Gogh, Die Kurtisane (nach Eisen), 1887

Vincent van Gogh, Die Kurtisane (nach Eisen), 1887

"Alle meine Arbeiten basieren zum Teil auf japanischer Kunst", schrieb Van Gogh am 15. Juli 1888 in Brief 640 an seinen Bruder Theo.

Der Künstler entdeckte die japanischen Ukiyo-e Druckgrafiken während seiner Zeit in Paris und der Einfluss auf sein Werk war enorm.

Er bewunderte die minimalistischen Kompositionen, die leuchtenden Farben, die fehlende lineare Perspektive und die ungewohnten Blickwinkel. Von allen Kunstwerken, die Van Gogh kopierte, war es das Studium der japanischen Druckgrafik, das ihn am meisten beeinflusste. Er integrierte alle oben erwähnten Elemente und vermischte sie mit westlichen Vorstellungen von Kunst, um seinen einzigartigen Stil zu schaffen.

Hiroshige, Pflaumengarten in Kameido, 1857

Hiroshige, Pflaumengarten in Kameido, 1857

Vincent van Gogh, Pflaumengarten in Kameido (nach Hiroshige), 1857

Vincent van Gogh, Pflaumengarten in Kameido (nach Hiroshige), 1857


Vincent van Goghs Kopien anderer Künstler

Abgesehen von Delacroix, Millet, Doré, Eisen und Hiroshige kopierte van Gogh Kunstwerke von folgenden Künstlern:

Lenny
Der AutorLenny
Als Gründer von Daskreativeuniversum teile ich mein Fachwissen im Bereich der Kunstgeschichte und meine Erfahrungen in der zeitgenössischen Kunst mit dir.