Malerei

Musca Depicta – 5 Gründe, wieso die Fliege als Bildelement früher so beliebt war

Musca Depicta TitelbildClara Peeters, Stillleben, 1607

Die Musca Depicta, auch bekannt als die "abgebildete Fliege" beschreibt das Bildmotiv einer Fliege in der Kunst. Der Begriff leitet sich aus dem Lateinischen ab, wobei musca Fliege und depicta abgebildet oder gemalt bedeutet.

Ein wenig verwundert stößt man auf diese Insekten in vielen Gemälden aus der Renaissance und dem Barock. Das stille Summen des schwarzen Insekts hat die Kunstgeschichte geprägt und doch birgt dieses Bilddetail so viele Fragen.

Hier sind fünf Interpretationsansätze zur Bedeutung der Musca Depicta sowie drei Beispiele in bekannten Gemälden aus der frühen Renaissance bis hin zum klassizistischen Barocks von Guido Reni.


Interpretationsansätze zur Fliege in der Kunst

Für die Darstellung der Fliege in der Kunst gibt es verschiedene Interpretationen, die in unterschiedlichen Kontexten zu berücksichtigen sind. 

Hier sind fünf der wichtigsten Interpretation über die Bedeutung dieses Bildelements:

  • Vergänglichkeitssymbol: Fliegen leben nur kurz und ihre Darstellung in Gemälden symbolisiert oft die Vergänglichkeit des Lebens. Mit der Fliege wollten die Kunstschaffenden die Betrachtenden an die Unbeständigkeit und die Vergänglichkeit des Lebens erinnern. Die Fliege an sich dient als Memento mori, eine Erinnerung an die Sterblichkeit und ein Symbol für die Vergänglichkeit des irdischen Daseins.
  • Vanitas-Symbol: Fliegen wurden häufig in Vanitas-Gemälden verwendet, einem Genre des Stilllebens, das im 15. bis 17. Jahrhundert seine Blütephase erlebte. Fliegen waren eines der vielen Objekte, die den Verfall darstellten und den Betrachter an die Unausweichlichkeit des Todes und die Vergeblichkeit materieller Besitztümer erinnerten.
  • Moralische und religiöse Allegorie: In religiösen Werken hatten Fliegen oft eine symbolische Bedeutung. Sie konnten für Sünde, Verderbnis oder das Böse stehen und an die Existenz des Teufels oder die Folgen moralischer Verfehlungen erinnern. Die Einbeziehung von Fliegen in solche Werke fügte eine moralische Dimension hinzu und vermittelte Erkenntnisse über menschliche Schwächen und den Kampf zwischen Gut und Böse.
  • Realismus und Naturalismus: Einige Künstlerinnen und Künstler setzten Fliegen auch ein, um ihren Werken einen Hauch von Naturalismus zu verleihen. Fliegen waren Teil des täglichen Lebens, und die Einbeziehung von Fliegen in Stillleben oder häuslichen Szenen verlieh ihnen mehr Realitätsnähe. Eine besondere Form des Naturalismus ist die Darstellung der Fliege im Rahmen des Trompe-l’œil.
  • Visuelles Interesse und Kontraste: Fliegen konnten auch als kompositorisches Mittel dienen, um das Werk interessant zu machen oder erzählerische Kontraste zu schaffen. Ihre geringe Größe und schnellen Bewegungen können zu dynamischen Elementen werden, die die Monotonie einer Szene durchbrechen und die Aufmerksamkeit auf bestimmte Bereiche lenken. Fliegen können strategisch platziert werden, um den Blick der Betrachtenden zu lenken oder die Gesamtkomposition auszugleichen.

Beispiele einer Musca Depicta in der Malerei

Matteo di Giovanni (vermutet), Mystische Kreuzigung, ca. 1445

Matteo di Giovanni, Mystische Kreuzigung, ca. 1445

Matteo di Giovanni, Mystische Kreuzigung, ca. 1445

Häufig findet man die musca depicta (gemalte Fliege) in Vanitas-Gemälden, die auf den von der büßenden Magdalena geküssten Schädeln, auf den Schädel des Heiligen Hieronymus oder auf denen am Fuß des christlichen Kreuzes ruhen.

In einer Kreuzigungsdarstellung, die entweder Matteo di Giovanni oder Vecchietta zugeschrieben wird und auf das Jahr 1450 datiert ist, bewegen sich vier Geistlicher der Kirche auf einem goldenen Hintergrund über Golgatha mit Jesus' Kreuz. Unter dem Kreuz ist der Totenkopf mit einer riesigen Fliege mit übertriebenen Proportionen zu sehen. 

Solch todbringende Fliegen sollten damals die Gläubigen dazu bringen, die Freuden des irdischen Lebens zu schätzen und sich der Vergänglichkeit bewusst zu werden.

Matteo di Giovanni, Mystische Kreuzigung, Detail

Matteo di Giovanni, Mystische Kreuzigung, Detail

Guido Reni, Danza Campestre, ca. 1601 - 1602

Guido Reni, Danza Campestre, ca. 1601 - 1602

Guido Reni, Danza Campestre, ca. 1601 - 1602

Danza Campestre zeigt ein für Guido Reni ungewöhnliches Motiv: Eine natürliche Landschaft mit einer Feier im Mondschein, die von einer Gruppe von Bauern veranstaltet wird, an der aber auch adlige Damen und Herren teilnehmen.

Die gezeigten Figuren sitzen in einem Kreis neben einigen Bäumen und einem Fluss. In der Mitte lädt ein junger Bauer eine Dame ein, den Tanz zu eröffnen.

Dieser Moment scheint so idyllisch, so perfekt, bis man von zwei großen Fliegen abgelenkt wird, die in der oberen rechten Ecke des Bildes herumschwirren und über den blauen Himmel der ansonsten verzauberten Nacht huschen.

Guido Reni, Danza Campestre, Detail

Guido Reni, Danza Campestre, Detail mit Fliege (obere rechte Ecke)

Wenn unser Blick auf diesen Fliegen landet, ist das Bild nicht mehr dasselbe. Ein Konflikt in der Wirkung der Szene entsteht, in dem die Aufmerksamkeit der Betrachter von zwei solch kleinen Details auf sich gezogen wird.

In diesem Fall zeigen die Fliegen von Reni auch seine Fähigkeit, naturalistisch genau Fliegen so darzustellen, dass sie so aussehen, als ob sie auf dem Gemälde sitzen und gar nicht Teil der Szene sind.

Solche Fliegen in der Kunst sind ein Beispiel von Trompe-l'œil Gemälden.

Guercino, Et in Arcadia ego, ca. 1618 - 1622

Guercino, Et in Arcadia, ca. 1618–1622

Guercino, Et in Arcadia ego, ca. 1618–1622

Die Allgegenwart des Todes in Zeit und Raum hält auch Einzug in das mythische Arkadien des antiken Griechenlands, die poetische Landschaft einer unberührten Natur.

Et in Arcadia Ego ist der Titel eines Gemäldes von Guercino aus dem Jahr 1622, das im römischen Palazzo Barberini aufbewahrt wird. Darin tauchen zwei Hirten mühsam aus einer Baumwand hervor, die einen überraschenden Fund in der eigentlich so idyllischen Landschaft machen.

Über einem Altar befindet sich ein alter Schädel, der vor sich hin rottet. Auf dem Schädel ruht eine Fliege. Auf dem Sockel steht geschrieben Et in Arcadia ego, was so viel bedeutet wie Auch in Arkadien bin ich (der Tod).

Dieser Satz soll eine Warnung sein, dass selbst im paradiesischen Arkadien der Tod immer gegenwärtig ist.

Guercino, Et in Arcadia, Detail

Guercino, Et in Arcadia ego, Detail mit Fliege

Lenny
Der AutorLenny
Als Gründer von Daskreativeuniversum teile ich mein Fachwissen im Bereich der Kunstgeschichte und meine Erfahrungen in der zeitgenössischen Kunst mit dir.