Realismus – Die Merkmale des Realismus in der Kunst und sein Einfluss auf die Malerei

Unter dem Realismus in der Kunst versteht man grundlegend die genaue, detaillierte, ungeschönte Darstellung der Natur oder des zeitgenössischen Lebens. Der Realismus lehnt die fantasievolle Idealisierung zugunsten einer genauen Beobachtung des äußerlichen Erscheinungsbildes ab.
Im weiteren Sinn lässt sich Realismus in vielen künstlerischen Strömungen verschiedener Kulturen erkennen. So sind beispielsweise schon einige mehr als 2.000 Jahre alte hellenistische Skulpturen von der realistischen Sichtweise geprägt.
Im engeren Sinne kann man den Realismus in der Kunst jedoch auch als eigene Stilrichtung (genauer noch: eine Kunstauffassung) einordnen, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Frankreich ausging. Auf diese Beschreibung des Realismus wollen wir uns in diesem Artikel fokussieren.
Der Realismus in der Kunst als neue Kunstauffassung des 19. Jahrhunderts
Der Realismus gilt als neue Kunstauffassung, die in Frankreich in den 1850er Jahren nach der Februarrevolution von 1848 begann.
Die Realisten lehnten die Romantik ab, die die französische Literatur und Kunst seit dem späten 18. Jahrhundert bestimmte. Sie lehnten die exotischen Themen und den übertriebenen Gefühlstrieb der Bewegung ab.
Stattdessen versuchten die Realisten, zeitgenössische Menschen und Situationen mit Wahrheit und Genauigkeit einschließlich aller unschönen Aspekte des Lebens darzustellen. Die Werke der Realisten stellten Menschen aller Klassen in gewöhnlichen Lebenssituationen dar, die oft die Veränderungen wiedergaben, die durch die industrielle Revolution hervorgerufen wurden.
Klassizistischer Idealismus und romantischer Emotionalismus wurden gleichermaßen vermieden. Häufig wurden ungeordnete Elemente der Motive nicht verschönert, sondern bewusst in das Kunstwerk mit aufgenommen.
Der Realismus betonte die Darstellung der Arbeiterklasse und behandelte die Menschen mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie andere Klassen zuvor in der Kunst behandelt wurden. Man zielte auch darauf ab, künstliche oder stilisierte Darstellungen zu vermeiden. Heroische oder sentimentale Behandlungen von Themen wurden abgelehnt.
Wichtige Künstler dieser realistischen Kunstauffassung waren Gustave Courbet, Jean-Francois Millet und Honore Daumier.
Bedeutende Künstler des Realismus in dieser Phase
Gustave Courbet
Gustave Courbet wird oft als die führende Figur des Realismus eingestuft. Er legte den Grundstein für die Bewegung in den 1840er Jahren, als er begann, Bauern und Arbeiter in großem Maßstab zu präsentieren, die normalerweise religiösen, geschichtlichen oder allegorischen Themen vorbehalten sind.

Gustave Courbet, Ein Begräbnis in Ornans, 1849
Vor Courbets revolutionärer Ära stellten die Maler der europäischen Kunst die Szenen nicht so dar, wie sie sie sahen, sondern idealisierten sie. Für Courbet war diese Vorgehensweise der Malerei zutiefst hinderlich, da sie jegliches Gefühl von Individualität beseitigte.

Gustave Courbet, Die Steineklopfer, 1849
Jean-François Millet
Wie Courbet entschied sich auch Jean-François Millet für die Darstellung von Menschen der Arbeiterklasse. Da er im ländlichen Frankreich lebte, war es naheliegend, dass er sich vermehrt der Malerei von einfachen Bauern widmete. Noch heute ist er für seine ungeschönten Abbildungen der Feldarbeiter bekannt.

Jean-François Millet, Las Glaneuses, 1857
Millet ist nicht nur ein führender Maler des Realismus, sondern auch für seine Rolle bei der Entstehung der Schule von Barbizon bekannt. Diese Künstlergruppierung forderte die Dominanz der Romantik in der französischen Landschaftsmalerei heraus.

Jean-François Millet, La Fournée, 1854
Honoré Daumier
Honoré Daumier war Maler, Grafiker und Bildhauer, der seine Talente nutzte, um die Politik des damaligen Frankreichs zu beleuchten.

Honoré Daumier, Zwei Bildhauer, 1870-1873
Im Gegensatz zu den Werken von Courbet und Millet zeigt Daumier oft subjektive und übertriebene Untertöne. Dennoch bietet sein Werk einen augenöffnenden Blick auf die Besonderheiten des französischen Lebens im 19. Jahrhundert.

Honoré Daumier, Le Wagon de troisième classe, 1862-1864
Édouard Manet
Obwohl Manet oft im Kontext des Impressionismus genannt wird, spielt seine Verbundenheit mit dem Realismus beinahe eine noch wichtiger Rolle. Er war es, der die Verbindung zwischen den realistischen Darstellungen und den impressionistischen Kunstwerken hergestellt hat.

Édouard Manet, Die Erschießung des Kaisers Maximilian, 1867
Auswirkungen auf die internationale Kunst
Als Folge des Erfolgs des Realismus in Europa übernahmen amerikanische Künstler diesen Ansatz kurz nach seiner Entstehung. Sein Einfluss wird besonders in Edward Hoppers aufschlussreichen Studien des modernen Stadtlebens und James Abbott McNeill Whistlers Kunst der 1860er Jahre deutlich.