Seit Jahrtausenden erfüllt die Skulptur viele Rollen im menschlichen Leben. Die frühesten Skulpturen wurden wahrscheinlich in Jäger und Sammler Stämmen geschaffen, um den Jägern symbolisch viel Erfolg bei der Jagd zu wünschen. Nachdem sich die ersten Zivilisationen gebildet hatten, wurde die Bildhauerei hauptsächlich zur Darstellung und Verehrung ihrer Götter verwendet.
Herrscher dieser frühen Zivilisationen, möglicherweise in der Hoffnung, sich dadurch unsterblich zu machen und im Jenseits weiterzuleben, ließen Bildnisse von sich schnitzen, wodurch die Porträtskulptur geschaffen wurde. Die Griechen schufen schließlich Statuen, die perfekt geformte Männer und Frauen in höchster Ästhetik darstellten. Ein Rückgriff auf die antiken Ideale fand im Zuge der Renaissance erneut statt. Große Brunnen mit Skulpturen in der Mitte sind neben modernen Wolkenkratzern ebenso zu finden wie in den Höfen alter Herrschaftspaläste.
Was also ist dran an der Faszination der Bildhauerei. In diesem Artikel begeben wir uns auf eine Entdeckungsreise durch die Jahrtausende. Welche Kulturen die Bildhauerei geprägt haben und welche Künstler dabei eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Prähistorische Skulptur
Die Skulptur könnte die älteste der Künste sein. Menschen schnitzten, bevor sie ihre Behausungen bemalten oder gestalteten. Die frühesten Zeichnungen wurden wahrscheinlich in den Fels gehauen oder in die Erde geritzt und können daher sowohl als Vorläufer der Reliefskulptur als auch der Malerei gewertet werden.
Obwohl nur wenige der damaligen Skulpturen bis heute erhalten blieben, gibt es genügend Beispiele, die von Menschen früher Kulturen geschaffen wurden. Von den frühesten primitiven Skulpturen und den noch erhaltenen prähistorischen Werken lässt sich darauf schließen, dass die meisten Werke für spirituelle Zwecke gefertigt wurden.
Figuren von Männern, Frauen und Tieren dienten dazu, die seltsamen und manchmal beängstigenden Kräfte der Natur zu ehren. Skulpturen in Form von Masken wurden von Priestern in Tänzen getragen, um böse Geister zu verscheuchen oder das Wohlwollen der guten Geister zu erbitten.
Skulptur in der Antike
Die frühesten Zivilisationen Ägyptens, Mesopotamiens, des Indus und Chinas entwickelten schrittweise um 3000 v. Chr. die ersten Formen der Schrift. Die Menschen dieser Zivilisationen, wie auch ihre prähistorischen Vorfahren, äußerten ebenfalls einen tiefen Glauben an die Skulptur.
Ägypten
Die ägyptische Skulptur und alle ägyptische Kunst basierten auf dem Glauben an das Leben nach dem Tod. Die Leiche des ägyptischen Herrschers oder Pharaos wurde sorgfältig mumifiziert und reiche Waren wurden ihm als Grabbeigaben mitgegeben, um für sein Dasein im Jenseits vorzusorgen. Aus diesem Grund wurden sogar die Pyramiden, die monumentalsten Gräber überhaupt, für ihre Pharaonen gebaut. Der Pharao und seine Frau wurden in Kammern begraben, die tief in die riesigen Steinblöcke eingearbeitet waren.
Lebensgroße und überlebensgroße Statuen, die in Schiefer, Alabaster und Kalkstein gehauen wurden, waren so häufig wie die Gräber selbst. Diese Statuen, die in den Tempeln und in den Grabkammern aufgestellt wurden, waren Bilder der Herrscher, der Adligen und der Götter, die von den Ägyptern verehrt wurden. Die Ägypter glaubten, dass der Geist des Toten immer zu diesen Bildern zurückkehren würde. Hunderte von kleineren Statuetten aus Ton und Holz zeigten Menschen, die die vermeintlichen einfachen Arbeiten übernahmen: Man fand Skulpturen, die gerade am Brot backen sind oder ihre Viehherde zähmen. Sowohl die Malereien als auch die Skulpturen waren erstaunlich naturalistisch gestaltet.
Ägyptische Bildhauer präsentierten immer klare Ideen. Der Pharao oder Adlige wurde größer dargestellt als seine Untertanen. In der Reliefskulptur ist jeder Teil einer Figur deutlich dargestellt. Ein Blick nach vorne wird durch einen gewandten Kopf ausgedrückt, während der restliche Teil des Körpers starr bleibt. Ganz gezielt wurden solche Aspekte in der ägyptischen Bildhauerei berücksichtigt.
Die Ägypter kombinierten oft Merkmale verschiedener Kreaturen, um Ideen zu symbolisieren. So wird beispielsweise das menschliche Haupt des Pharaos Khafre zur restlichen Gestalt eines Löwen hinzugefügt, um die Große Sphinx zu formen. Diese Konstellation suggeriert die Kombination aus menschlicher Intelligenz und tierischer Stärke.
Ägyptische Bildhauer fertigten stehende und sitzende Figuren sowohl als dreidimensionale Skulptur als auch als Relief an. Stiländerungen dieser Vorgehensweise zeigen Veränderungen in der ägyptischen Kultur an.
Die Porträts der Herrscher des Mittleren Reichs (2134-1778 v. Chr.) verlieren die Kraft und Stärke der Porträts ihrer Vorfahren in Gizeh. Die Gesichter wirken niedergeschlagen, traurig und erschöpft. Eine größere Energie und Kraft kehrt in der Zeit der größten Macht Ägyptens, dem Neuen Reich (1550-1070 v. Chr.), in die Bildhauerei zurück. Kolossale Gestalten wie die von Ramses II. am Eingang zu seinem Grab in Abu-Simbel sind breit, mächtig und monumental - eine Repräsentation seiner Macht. Ein kleineres Porträt von Ramses II zeigt die glatte Oberfläche, die präzise Verarbeitung und die Eleganz der späten Kunst des Neuen Reiches.
Mesopotamien
Das Land "zwischen den Flüssen" hatte eine viel weniger stabile Gesellschaft als Ägypten und verfügte nicht über die riesigen Mengen an Stein für solch monumentale Skulpturen. Die Städte in Mesopotamien wurden oft durch Hochwasser der beiden Flüsse und eindringende Truppen zerstört.
Die ersten Exemplare der Bildhauerei in dieser Region entstanden aus leichten Materialien: Ton, Holz oder Kombinationen aus Holz und Muscheln. Eine Sammlung von Steinfiguren aus Tell Asmar stellt Götter, Priester und Anbeter auf eine ganz andere Weise dar als die ägyptische Skulptur. Diese Figuren sind kegelförmig, mit ausgestellten Röcken, kleinen Köpfen, riesigen, beinahe schnabelartigen Nasen und großen, starren Augen.
Steinskulpturen aus so stark befestigten Stadtpalästen wie Nineveh, Nimrud und Khorsabad zeigen den aggressiven, kriegerischen Charakter der späteren Eroberer dieser Region, der Assyrer. An den Eingängen ihrer Paläste platzierten die Assyrer riesige Symbole der Macht und Erhabenheit des Königs in Form von kolossalen Wächtern - fünfbeinige, geflügelte Stiere mit menschlichen Köpfen. An den unteren Mauern in den Palästen wurden reliefartige Steinplatten mit Szenen der Jagd und zeremoniellen Ritualen aufgestellt.
Eine größere Klarheit und Brillanz zeigt sich in einem noch späteren Zentrum dieser Region, Babylon. Die Babylonier verwendeten in ihren Reliefs bunte Fliesen.
Persische Eroberer, die Babylon im 6. Jahrhundert v. Chr. besetzten, brachten ihre Tradition der Handwerkskunst mit. Diese Fähigkeit wurde auch weiterhin aufrechterhalten, da sie weiterhin hervorragende Designs in Bronze und Gold entwarfen. Manchmal sind die Entwürfe rein abstrakte ornamentale Muster, manchmal sind es Tierformen.
Reliefskulpturen aus Persepolis weisen einige Merkmale der assyrischen Kunst auf. Die Figuren haben dicht gewelltes Haar und lange Bärten. Die einzelnen Figuren sind sanft geschwungen und abgerundet dargestellt, die Drapierungen sind fein und leicht.
Ägäische Zivilisation
Von der farbenfrohen Skulpturen der minoischen Zivilisation auf der Insel Kreta sind nur noch wenige Exemplare erhalten. Elfenbein und Terrakotta; kleine Statuetten von Schlangengöttinnen, Priesterinnen und Szenen von Stieren und anderen Tieren geben einen Einblick.
Die Macht in der Ägäis wich langsam von Kreta auf da griechische Festland, wobei nur noch wenige Überreste aus dieser Zeit des Wandels heute noch vorhanden sind. Ein außergewöhnliches Beispiel aus dieser Zeit ist das Löwentor von Mykene, das um circa 1250 v.Chr. entstanden ist.
Auch die goldene Maske des Agamemnon ist von zeitloser Schönheit und spielt auf die Erzählungen von Homer an. Die Maske wurde gemeinsam goldenen Bechern, Dolchen und anderen Gegenständen in den Gräbern in Mykene ausgegraben.
Griechische Bildhauerei
Um 600 v. Chr. entwickelte Griechenland eine der bedeutendsten Zivilisationen in der Geschichte der Menschheit. Die Bildhauerei wurde zu einer der wichtigsten Ausdrucksformen der Griechen.
Der griechische Glaube, dass der Mensch das Maß aller Dinge ist, ist nirgendwo deutlicher zu erkennen als in der griechischen Skulptur. Die menschliche Figur war das Hauptthema der gesamten griechischen Kunst. Ab Ende des 7. Jahrhunderts v. Chr. suchten die Bildhauer in Griechenland beständig nach Ansätzen, um die menschliche Skulptur noch besser darzustellen.
Die Griechen entwickelten eine stehende Figur eines nackten Mannes, genannt Kouros. Der Kouros diente der Darstellung männlicher Götter und Helden. Die Kore war graziöser und wurde als weibliche Vorlage verwendet, um Jungfrauen und Göttinnen darzustellen. Eine der bekanntesten Darstellungen aus dieser Zeit ist die Nike von Samothrake, die heutzutage zu den bekanntesten Skulpturen der Welt gehört und im Louvre ausgestellt ist.
Die Tatsache, dass sich die griechischen Bildhauer auf eine begrenzte Anzahl von Herausforderungen konzentrierten, mag zu den rasanten Fortschritten in der Bildhauerei beigetragen haben, die zwischen dem 7. und dem 4. Jahrhundert v.Chr. realisiert wurden. Der Übergang von einer abstrakten Figur zur naturalistischen Darstellungsweise fand in dieser Zeit statt.
Kunsthistoriker haben eine Reihe von Epochen bzw. Stilbegriffen bestimmt, die die Entwicklung in dieser wichtigen Zeit der Bildhauerei und der Kunst im Allgemeinen zusammenzufassen.
Relevant: Die einzelnen Epochen der griechischen Kunst im Detail
Die wichtigste Funktion der griechischen Skulptur bestand darin, ihre Götter und Göttinnen zu ehren. Statuen wurden in Tempeln aufgestellt oder aus den Wandungen der Tempelanlage ausgearbeitet. Griechische Tempel waren viel mehr Schreine, als Kirchen. In den Tempeln wurden Abbildungen der Götter, darunter eben auch die Skulptur, aufbewahrt, während die Menschen die Götter meist vor, aber nicht im Tempel verehrten.
Die griechische Skulptur änderte sich im Gleichschritt mit der griechischen Zivilisation. So sind die Figuren von Skopas aus dem Mausoleum von Halikarnassos wesentlich härter und dramatischer als die ruhig wirkenden Figuren von Phidias.
Hellenistische Bildhauer betonten noch stärker die menschliche Figur. Sie spiegelten die großen Veränderungen in ihrer Welt wider, als sie die Themen, die von früheren griechischen Bildhauern behandelt wurden, auf eine ganze neue Art und Weise behandelten. Ein neues Interesse entwickelte sich in der Bildhauerei, in der die verschiedenen Lebensphasen detaillierter ausgearbeitet wurden. Die stilisierten Formen einen Kouros liegen lange zurück.
Die Griechen wurden von den Römern besiegt, aber der hellenistische Stil in der Bildhauerei hatte auch danach noch jahrhundertelang Einfluss auf die Kunst der Skulptur. Seit den frühen Stunden der Republik importierten Römer einige Werke griechischer Kunst und bestellten Nachbildungen der bekanntesten Werke und beauftragten griechische Bildhauer mit römischen Themen.
Etruskische und römische Skulptur
Griechische Skulptur und griechische Kunst wurden ins Herz Italiens exportiert, lange bevor die Römer das Land eroberten. Im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. waren die Etrusker in Italien fest verwurzelt. Einige der Skulpturen und viele Vasen sind griechischen Ursprungs.
Rom profitierte gleich doppelt vom künstlerischen Erbe der griechischen und etruskischen Bildhauerei. Der Erfindungsreichtum der römischen Bildhauer trug dazu bei, dieses Erbe nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu bereichern. Die wichtigsten Leistungen der römischen Bildhauer waren Büsten und Porträtskulpturen.
Frühchristliche Skulptur
Die frühchristliche Bildhauerei glich der Kunst Roms. Sarkophage, die in Italien gefunden werden, entsprechen alle dem römischen Typ, obwohl ihnen eine besondere Bedeutung durch Zeichen oder Symbole beigefügt wurde.
Die Skulptur war jedoch keine natürliche Ausdrucksform in der frühchristlichen Kunstepoche. Denn eines der Zehn Gebote verbot es Christen, sich ein Gottesbild zu machen. Viele Künstler verstanden den Mensch als Abbild Gottes, sodass auch eine menschliche Skulptur nicht gestattet war. Erst nach einiger Zeit Beschloss die Kirche, dass es legitim sei, Bilder von menschlichen Figuren herzustellen. Lediglich die Herstellung von Götzen wurde als Verstoß gegen diese Regelung gewertet.
Im 5. Jahrhundert n. Chr. fiel die westliche Hälfte des Römischen Reiches an germanische Stämme in Mitteleuropa. Diese Völker wurden bald Christen und verbreiteten die Religion in ganz Europa. Im Gegensatz zu den Römern hatten die germanischen Völker keine Tradition, menschliche Abbilder in ihrer Kunst abzubilden. Die Kunst der Germanen bestand hauptsächlich aus komplexen Mustern und Formen, die zur Dekoration verwendet wurden.
Sogesehen können die ersten Jahrhunderte nach Formung des Christentums als dunkles Zeitalter der Bildhauerei betrachtet werden. In den ersten 1000 Jahren sind nur wenige vorzeigbare Skulpturen entstanden. Zu diesen seltenen Beispielen gehören Altäre, Kelche und andere Gegenstände, die im Rahmen des christlichen Gottesdienstes verwendet werden. Diese wurden mit großer Sorgfalt geformt und oft aus edlen Materialien gefertigt. Ein Innovationstreiber hinsichtlich der Entwicklung der Bildhauerei war die frühchristliche Kunst allerdings nicht.
Romanische Skulptur
Nach den ersten 1000 Jahren begann ein neues Kapitel in der christlichen Kunst. Für die nächsten drei Jahrhunderte schufen Bildhauer, Architekten, und Hunderte von Handwerkern einige der beeindruckendsten christlichen Kirchen, die je gebaut wurden.
Diese Künstler arbeiteten in einem freieren und weitreichenderen Umfang, als es in den vergangenen Jahrhunderten möglich war. Für ihre Ideen suchten sie nach den besten Beispielen für große Gebäude, die sie kannten. Daher verweist der Begriff "Romanik" auf die von Rom inspirierten Eigenschaften in der Kunst des 11. und 12. Jahrhunderts.
Ein Beispiel romanischer Skulpturen aus dem frühen 11. Jahrhundert zeigt, wie die Vorstellungen der römischen Skulptur umgesetzt wurden. Die Bronzetüren des Hildesheimer Doms besitzen zehn Tafeln mit Szenen aus der Bibel. Die Anordnung dieser großen Tore erinnert maßgeblich an die Kirchentore von Santa Sabina in Rom.
Gotische Skulptur
Die Skulptur wandelte sich nach dem 12. Jahrhundert allmählich von der klaren Abstraktion der Romantik zu einem realistischeren Erscheinungsbild. Menschliche Figuren, die in natürlichen Proportionen dargestellt wurden, wurden in den Säulen und den Portalen der Kirchen dargestellt.
Mit zunehmender Erfahrung der gotischen Bildhauer wurden sie in ihren Darstellungen immer freier. Spätgotische Figuren werden viel realistischer dargestellt als Skulpturen aus der Frühgotik. Die Gesichter der Skulpturen haben Ausdruck, und ihre Kleidung ist auf eine natürliche Weise gestaltet.
Die große Ära des Bauens neigte sich mit dem frühen 14. Jahrhundert dem Ende entgegen. Eine Reihe von Kriegen und Krisen verhinderten den Bau solch monumentaler sakraler Bauwerke samt den dazugehörigen monumentale Skulpturen. Man findet nur kleine Statuetten und Objekte, die für private Andachten verwendet werden, anstelle der großen bildhauerischen Leistungen, die Kirchen in Paris, Reims oder Straßburg bereicherten.
Bildhauerei in der Renaissance
Die ins Mittelmeer ragende italienische Halbinsel, an der Kreuzung mehrerer Welten, war seit Beginn das Herz des Römischen Reiches. Rom und der Vatikan galten lange Zeit als das Zentrum der westlichen Welt. Später offenbarte sich allerdings vor allem der Nordosten Italiens, allen voran Venedig aufgrund des Handels, als Tor zum Orient. In gewisser weise übernahmen die italienischen Künstler nie die Aspekte, die in Nord- und Westeuropa durch den gotischen Stil verbreitet wurden. Der Grund dafür liegt darin, dass italienische Künstler ständig an die Überreste der klassischen römischen Kunst erinnert wurden und sie dem Einfluss der byzantinischen Kunst durch den stattfindenden Handel ausgesetzt waren.
Schon im 13. Jahrhundert säten die Italiener deshalb den Samen für ein neues Zeitalter: die Renaissance. Obwohl die Elemente der mittelalterlichen und byzantinischen Kunst sehr viel zur Entstehung der für die Renaissance typischen Bildhauerei beitrugen, waren die italienischen Künstler daran interessiert, den klassischen Kunstbegriff und die Ideale der Antike wiederaufleben zu lassen.
Die bedeutendste Veränderung in der Kunst der Renaissance war die neue Betonung der Verehrung der menschlichen Figur. Die Skulptur war nicht mehr nur für idealisierte Heilige und Engel bestimmt.
Die Reliefskulptur von Nicola Pisano prognostizierte schon im 13. Jahrhundert das neue Zeitalter der Kunst. Ende des 13. Jahrhunderts formte Pisano nackte männliche Figuren auf einer Kirchenkanzel. Das war das erste Mal, dass seit dem Untergang des römischen Reichs eine nackte Figur in der Bildhauerei dargestellt wird. Obwohl es bei den Bemühungen Pisanos offensichtlich war, dass er er versuchte, die heroischen Figuren der klassischen Kunst zu kopieren, sieht man seinen Arbeiten ein geringes Wissen über die menschliche Anatomie an. Im Grunde genommen hatten seine Skulpturen noch dieselben Proportionen wie die, die in der byzantinischen und mittelalterlichen Kunst verwendet wurden.
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war die Renaissance bereits in vollem Gange. Der Bildhauer Donatello schuf den ersten freistehenden Akt seit der Antike, eine Bronze des Davids. Donatello verstand die gesamte Anatomie der Figur so gut, dass er den jungen biblischen Helden mit Leichtigkeit abbilden konnte. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts war das bildhauerische Erbe eines anderen florentinischen Künstlers so gewaltig, dass seine Version desselben Motivs beinahe nicht von dieser Welt erscheint. Die Rede ist selbstverständlich von der Davidskulptur Michelangelos.
Michelangelo wurde zweifellos zur dominierenden Figur in der Bildhauerei des 16. Jahrhunderts, und er wird von vielen Kunsthistorikern als einflussreichste Einzelperson der Kunstgeschichte eingestuft. Er war in der Malerei gleichermaßen talentiert wie in der Bildhauerei.
Alle seine Skulpturen, von der frühen, wundervoll ausgeführten Pietà bis hin zum Teilstück der Rondanini Pietà, das durch seinen Tod unvollendet blieb, wurden mit viel Geschick und Energie geformt. Die Bildhauer, die in späteren Jahren in Italien lebten, entwickelten einen noch eleganteren, dekorativeren Stil, der sich auf ein glattes, präzises Erscheinungsbild und komplexere Designs wie ausgefallenen Falenwürfen fokussierten. Dennoch ist Michelangelos als einer der besten, einflussreichsten und bekanntesten Bildhauer aller Zeiten unbestreitbar.
Barocke Skulptur
Die Bildhauer des 17. Jahrhunderts beschäftigten sich weiterhin mit den unterschiedlichsten skulpturalen Schwierigkeiten, die auch von ihren Vorgängern behandelt wurden. Nach wie vor setzte sich die Bildhauerei mit der menschlichen Ausdrucksform auseinander.
Im Barock wurde allerdings gegen die skulpturalen Eigenschaften des Manierismus und des späten 16. Jahrhunderts gearbeitet. Stattdessen besann man sich auf die Kraft und die Bewegung, die von Meistern wie Michelangelo während des 15. und frühen 16. Jahrhunderts perfektioniert wurde.
Giovanni Lorenzo Bernini (1598-1680) war, wie Michelangelo seiner Zeit, der prägende Bildhauer seiner Epoche. Berninis Version des David offenbart seine Bewunderung für Michelangelo, gepaart mit seinem eigenen Innovatorgeist. Berninis David hat die Größe und Stärke von Michelangelos David, ist aber eine wesentlich aktivere Darstellung.
Bildhauerei im Rokoko
Jean Baptiste Pigalle und Étienne Maurice Falconet zeigen eine ähnliche handwerkliche Geschicklichkeit wie Bernini, aber ihre Figuren sind wesentlich schmaler und wirken munterer. Die Kunstfertigkeit, die sich in ihren Arbeiten mit ihren winzigen, liebevoll geformten Gestalten offenbart, stellt eine deutliche Wende zu der kraftvollen, sakralen Schaffenskraft von Berninis Werk dar.
Die individuellen Fähigkeiten der Bildhauer und ihre gegenseitige Zusammenarbeit erzeugten eine ornamentale Wirkung. Mit der gleichen Genialität und Kompetenz entstand auch eine Gruppe von wunderschönen Kirchen in Süddeutschland.
Neoklassizistische und romantische Skulptur
Das Geschmacksorgan wandte sich Ende des 18. Jahrhunderts einer neuen Richtung zu, während Clodion und andere Bildhauer des Rokoko noch immer aktiv waren. Der Neoklassizismus beschreibt die bewusste Rückkehr zu klassischen Themen und dauerte fast ein Jahrhundert lang an. Die Veränderung zeigt sich am drastischsten im Werk des Bildhauers Jean Antoine Houdon.
Die dominierende Figur der neoklassizistischen Bildhauerei war der Italiener Antonio Canova. Canova war ein beliebter Künstler der Könige und Adligen Europas. Seine Spezialität waren Monumente, bei denen eine adelige Person in göttliches Antlitz gehüllt wurde. Offen gesagt, hat Canova antike Bildhauer nachgeahmt.
Im 19. Jahrhundert lehnten sich viele Bildhauer gegen die neoklassizistische Tradition auf. Sie wollten, dass ihre Kunstwerke mehr ausdrücken. Sie wollten die Schöpfung kopieren, nicht die Werke anderer Bildhauer. François Rude war einer der ersten, der auf die Emotionslosigkeit des Neoklassizismus reagierte.
Rodin
Obwohl die romantische Bewegung an Bedeutung gewann, zogen viele Künstler es immer noch vor, in der klassischen Tradition zu arbeiten, die in den Akademien gelehrt wurde. In den 1860er Jahren wurde ein junger Bildhauer namens Auguste Rodin dreimal von der renommierten École des Beaux-Arts abgelehnt. Ende des Jahrhunderts war Rodin zum berühmtesten Bildhauer Frankreichs und wahrscheinlich ganz Europas aufgestiegen.
Obwohl Rodin die Natur reproduzieren wollte, benutzte er viele neue Techniken. Sowohl die Vertiefungen als auch die erhabenen Abschnitte einer Oberfläche waren Rodin wichtig. Drum experimentierte er viel mit der Wirkung von Licht auf die Oberfläche der Formen, so wie es die Impressionisten in der Malerei taten. Er schuf Figuren im Halbschatten oder lies sie aus einem unvollendeten Materialblock hervorragen.
odin ist bekannt dafür, das Natürliche zu betonen und dabei an seiner unkonventionellen Herangehensweise festzuhalten, bis die Kunstwelt sich schließlich seinen Vorstellungen anpasste und nicht andersherum.
Skulptur des 20. Jahrhunderts
Das 20. Jahrhundert war in der Bildhauerei wie und er gesamten Kunst ein Zeitalter des Experimentierens mit neuen Ideen, neuen Stilen und neuen Materialien. Die Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur wich einem Spektrum neuer Themen: Träumen, Emotionen und Studien über Form und Raum. Kunststoffe, Chrom oder Stahl wurden fester Bestandteil der Bildhauerei, was bis dato unvorstellbar war.
Die Bildhauer der Moderne verdanken Rodin eine große Vorarbeit. Seine enorme Leistung und Vielfalt inspirierte eine neue Generation von Bildhauern, neue Gedanken in einer Kunstform zu äußern, die sich fast 200 Jahre lang im Kreis gedreht hatte. Obwohl sich Rodins Nachfolger eher von seiner Darstellungsweise wie auch von seinen Themen lösten, wirkten sich seine Innovationen maßgeblich aus.
Während Künstler der Renaissance die Werke des klassischen Griechenlands und Roms als Inspiration nutzten, suchten Künstler des 20. Jahrhunderts häufig in der Ferne nach Inspiration. Vor allem afrikanische und ozeanische Einflüsse lassen sich in der Bildhauerei der Moderne wahrnehmen.
Der rumänische Constantin Brancusi, der hauptsächlich in Paris arbeitete, verband rumänische Traditionen mit der Einfachheit afrikanischer Holzschnitzerei und orientalischer Skulptur. Brancusi suchte die absolute Einfachheit in der Form. Er ist vor allem dafür bekannt, die Bedeutung eines Werks auf seine Essenz herunter zu destillieren. Diese Reinheit lässt sich am besten in seinem Meisterwerk Vogel im Raum nachvollziehen.
Pablo Picasso, vielleicht der größte Maler des 20. Jahrhunderts und einer der bekanntesten Bildhauer, sah eine weitere Qualität in der primitiven Kunst. In der Einfachheit der Formen sah er, dass Objekte der Natur nicht unbedingt feste Materien sind, sondern aus Kreisen, Quadraten, Dreiecken und Würfeln bestehen. Dieser Herangehensweise mündete in den von ihm und Georges Braque entwickelten Stil des Kubismus. In Zuge dieser Stilrichtung schuf er auch erste kubistische Skulpturen, die ein und dasselbe Motiv aus verschiedenen Perspektiven zur selben Zeit darstellten.
Jacques Lipchitz war gemeinsam mit Picasso und Brancusi einer der prägendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Seine kraftvollen Bronzeformen zeigen sein Verständnis des Kubismus und der afrikanischen Kunst sowie aller anderen Bewegungen in der Kunst des 20. Jahrhunderts.
Als der Erste Weltkrieg begann, war die Atmosphäre in Europa angespannt. Einige Künstler reflektierten die Spannungen der unruhigen Zeiten in einer neuen Kunstform namens Dada - bedeutungslos, nichts darstellend und im Gegensatz zu allen anderen Kunstwerken.
Gleichzeitig war eine Gruppe italienischer Künstler von der Geschwindigkeit des Maschinenzeitalters begeistert. Die als Futuristen bekannten Künstler hatten auch einige prägende Bildhauer in ihren Reihen. Umberto Bocconi war wahrscheinlich der international bekannteste Künstler der sich im Stil des Futurismus für moderne Form und Objekte der Zukunft widmete.
Nach dem Ersten Weltkrieg keimte die Bewegung des Surrealismus auf. Viele einflussreiche Kubisten oder Dadaisten konnten sich mit den Ideen des Dadaismus identifizieren. Die Skulpturen von Jean Arp können dem Surrealismus zugeordnet werden.
In den 1920er und 1930er Jahren bauten die Konstruktivisten ihre Skulpturen viel mehr, als dass sie modellierten. Die Schönheit der reinen Form und des Raumes begeisterte sie. Julio Gonzalez (1876-1942) führte die Verwendung von geschmiedetem Eisen ein, was sich m Werk von Picasso zeigt, wie man beispielsweise in seiner Skulptur Chicago Picasso erkennen kann.
Es lässt sich bereits schon hier erkennen, dass die moderne Bildhauerei immer individueller wird und sich verschiedene Richtungen und Gattungen überlappen. Eine einheitliche Bildhauerei war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu erkennen. So scheinen beispielsweise die langen Figuren von Alberto Giacometti ohne Grenzen in der Welt umher zu wandern. Alexander Calder schuf filigrane Skulpturen, die sich im Wind bewegten - gemeint ist das Mobile.
In den 1960er und 1970er Jahren entwickelte sich eine noch größere stilistische Vielfalt. Künstler fingen an, Themen aus dem Alltag darzustellen. Ein bekanntes Beispiel dafür waren die Campbell-Suppendosen von Andy Warhol.
Andere Künstler kombinierten Malerei, Skulptur und Fundobjekte, wie man in den bildhauerischen Werken von Marios Escobar erkennen kann. Bildhauer wie Barnett Newman und Tony Smith schufen massive Werke, die oft im Freien präsentiert werden.
Henry Moore war ein weiterer Künstler, der eine prägende Stellung in der Bildhauerei einnahm. Er benutzte traditionelle Materialien wie Holz, Bronze und Stein, um traditionelle Gestaltungsformen der Bildhauerei auf neue Art und Weise zu erforschen. Moore kontrastierte auch hell und dunkel, indem er seine "Reclining Figures" auf spezielle Weise krümmte und zerrte.