Während der Renaissance machte sich Michelangelo einen Namen als Meister der Bildhauerei. Die unübertroffene Fähigkeit des florentinischen Künstlers, die menschliche Gestalt realistisch wiederzugeben, zeigt sich in seinem gesamten Werk, mit dem berühmten David und der Pietà als Paradebeispiele.
Obwohl diese Werke zweifellos zu seinen bekanntesten gehören, sind sie bei weitem nicht die einzigen Meisterwerke Michelangelos aus Marmor. Michelangelos Sklaven stellen dies eindrucksvoll unter Beweis.
Dieses im frühen 16. Jahrhundert geschaffene Skulpturenpaar war ursprünglich Teil eines päpstlichen Auftrags.
Letztendlich unvollendet und aus dem endgültigen Entwurf weggelassen, bilden der sterbende Sklave und der rebellische Sklave heute zwei Höhepunkte der Skulpturensammlung des Musée du Louvre in Paris.
Das Juliusgrabmal als monumentaler Auftrag
Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni wurde 1475 geboren und galt schon früh als einer der fähigsten Künstlern seiner Zeit.
1497 schlug Kardinal Jean de Bilhères-Lagraulas eine großformatige Pietà für sein Grabmal vor, 1501 beauftragte die Cattedrale di Santa Maria del Fiore in Florenz David mit der Außendekoration und 1505 beauftragte ihn Papst Julius II. mit der Herstellung von 40 lebensgroßen Figuren für ein beeindruckendes Mausoleum.
Nach schriftlichen Quellen und überlieferten Skizzen sollte dieses freistehende Grabmal an die 10 Meter hoch werden. Im Inneren sollte es eine Kapelle beherbergen, während sein dreistufiges Äußeres lebensgroße Skulpturen von Heiligen, Engeln, Propheten und Sklaven präsentieren würde.
Michelangelo nahm den Auftrag zwar an, doch erlebte er in der Umsetzung des Projekts einige Rückschläge. Der Zeitplan kam dem Bau des neuen Petersdoms durch den Papst in die Quere.
Die Pläne für das Grabmal wurden zusätzlich hinausgeschoben, als 1508 Julius II. einen immer ungeduldiger werdenden Michelangelo bat, das Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle zu malen. Ein Auftrag, den der Künstler akzeptierte und vollendete, um den Papst zu besänftigen und mit der Arbeit am Grabmal fortzufahren.
Doch bis zum Tod des Papstes im darauffolgenden Jahr hatte Michelangelo nur drei Skulpturen des ursprünglichen Grabmals geschaffen. Neben den beiden Sklaven schuf Michelangelo auch den gehörnten Moses. Die drei Skulpturen sind heute die einzigen Überbleibsel, die an das einst vortrefflich geplante Grab erinnern.
Später wurde Michelangelo eine überarbeitete und in der Größenordnung angepasste zweite Planung des Grabmals vorgelegt. Man rechnete zunächst mit der Fertigstellung binnen sieben Jahren, doch die finale Bearbeitungszeit betrug schließlich 40 Jahre.
Das eigentliche Grab befindet sich heute in der Basilica di San Pietro in Vincoli. In seiner eigenen Autobiografie erinnerte sich Michelangelo an das Projekt, das einen Großteil seines künstlerischen Werdegangs unvollendet blieb, dass es ihm seine ganze Jugend geraubt habe.
Erschwerend kam hinzu, dass in diesen sich ständig ändernden Plänen einige von Michelangelos fast vollendeten Skulpturen - einschließlich der zwei Sklaven - weggelassen wurden.
Michelangelos Sklaven im Detail
Michelangelo schuf dieses Figurenpaar zwischen 1513 und 1516. Ursprünglich als Die Gefangenen betitelt, sind sie heute aufgrund ihrer Gestik als der rebellische Sklave und der sterbende Sklave bekannt.
In Bezug auf ihre Körpersprache haben Michelangelos Sklaven wenig gemein. Der rebellische Sklave hat eine gröbere Figur, wenngleich die Konturen meisterhaft ausgearbeitet wurden.
Der sterbende Sklave hingegen stellt einen herrlich jungen und gut aussehenden Sklaven dar, der sich anscheinend in einem tiefen Schlaf befindet.
Beide weisen jedoch Merkmale von Michelangelos charakteristischer Fähigkeit auf, menschliche Skulpturen mit lebensnaher Detailtreue darzustellen.
Dies zeigt sich in den ausdrucksstarken Gesichtern und Gesten, den detailreichen anatomischen Merkmalen und den asymmetrischen Körperhaltungen der Figuren - dem Kontrappost.
Wie die Skulpturen in den Besitz des Louvres gelangten
Als die Sklaven von der Gestaltung des Grabes ausgeschlossen wurden, vermachte sie Michelangelo Roberto Strozzi, einem florentinischen Landsmann.
Warum hat Strozzi die Marmorskulpturen nach Frankreich gebracht?
Nachdem er durch seinen Widerstand gegen die Herrschaft von Cosimo I. de' Medici, dem Großherzog der Toskana, für Kontroversen gesorgt hatte, wurde Strozzi und seine Besitztümer nach Lyon verbannt.
Nach mehreren Stationen in Frankreich wurden die Skulpturen schließlich beschlagnahmt und vom französischen Staat übernommen. Über den französischen Staat gelangten sie schließlich in die Sammlung des Louvre.
Michelangelos Sklaven im Louvre
Heute gehören Michelangelos Sklaven zu den bildhauerischen Schätzen des Museums. Da es die einzigen Marmorskulpturen des Michelangelo im Louvre sind, sind sie wohl seine berühmtesten Sklavendarstellungen. Sie sind jedoch nicht die einzigen.
In den 1520er und 1530er Jahren schuf Michelangelo vier weitere Sklaven, die sich heute in der Galleria dell'Accademia in Florenz befinden.
Wie der rebellische Sklave und der sterbende Sklave blieben auch diese Skulpturen unvollständig.