Malerei

4 Gemälde weiblicher Künstlerinnen, die zunächst fälschlicherweise männlichen Malern zugeschrieben wurden

Fehlzuschreibungen in der Kunst

Fehlzuschreibungen in der Kunst sind ebenso üblich wie Fälschungen und Preismanipulationen einzelner Werke. 

Während man den letzteren beiden eine böswillige Absicht mit kriminellen Tendenzen unterstellen kann, ergeben sich Fehlzuschreibungen einzelner Werke meist aus einem reinen Informationsmangel. 

Muss die Vergangenheit eines Kunstwerks anhand von Informationsfragmenten rekonstruiert werden, kann ein einziger Anhaltspunkt bereits dafür sorgen, dass die Mehrheit der für die Zuschreibung in Frage kommenden Kunsthistoriker eine falsche Einschätzung vornehmen.

Besonders spannend ist die Betrachtung von Kunstwerken, die in der Vergangenheit fälschlicherweise männlichen Künstlern zugeschrieben worden, heute aber als gesichert geltend von weiblichen Künstlerinnen geschaffen wurden. Im Laufe der Jahre haben sich einige solcher Fälle herausgestellt, die erst durch erneute Nachforschungen und verbesserte Analaysemethoden entdeckt wurden. 

In diesem Artikel findest du drei bedeutende weibliche Künstlerinnen, von denen mehrere Werke zunächst fälschlicherweise ihren männlichen Künstlerkollegen zugeschrieben wurden.

1. Sofonisba Anguissola

Sofonisba Anguissola (1535-1625) war eine auf Porträtdarstellungen spezialisierte, italienische Malerin der Renaissance. Als eine der ersten Frauen, die eine formelle künstlerische Ausbildung erhielt, erlangte sie schnell internationale Bekanntheit.

Ihr künstlerisches Talent war so herausragend, dass der spanische Hof sie einlud, die Königin Elisabeth von Valois zu lehren und als Hofmalerin für König Phillip II. zu arbeiten. Als offizielle Bezeichnung ihrer Position am Hof war jedoch der Titel der Hofdame gebräuchlich, was später die Zuschreibung ihrer Werke erschwerte, da sie diese nur selten signierte.

Hofporträts machen den Großteil ihres gesamten Werks aus. 

Die Erklärung für die fehlerhafte Zuordnung ihrer Werke ist recht einfach: Anguissola war nur die inoffizielle Hofmalerin.

Das heißt, dass es auch einen offiziellen, aber dennoch ihr untergeordneten männlichen Maler geben musste. Alonso Sánchez Coello übernahm diese Rolle, wobei er Anguissola vor allem als Assistent diente und ihr bei ihrem Arbeitspensum half.

Ein Brand, der im 17. Jahrhundert am spanischen Hof ausbrach, zerstörte den Großteil ihrer Werke. Als ihre verbliebenen Gemälde unsigniert aufgefunden wurden, deutete eine Durchsicht der historischen Aufzeichnungen darauf hin, dass Coello ihr Urheber war, da er der offiziell ernannte Hofmaler während der Regierungszeit Philipps II. war.

Infolgedessen schrieben Kunsthistoriker fast alle Porträts der Hofgesellschaft ihm zu. Eine Fehleinschätzung, die drei Jahrhunderte aufrecht erhalten wurde.

Sofonisba Anguissola, Porträt des Phillip II. von Spanien, Sofonisba Anguissola, Porträt des Phillip II. von Spanien, 1573

Sofonisba Anguissola, Porträt des Phillip II. von Spanien, Sofonisba Anguissola, Porträt des Phillip II. von Spanien, 1573 | Lange Zeit wurde das Gemälde Alonso Sánchez Coello zugeschrieben

Dieses Porträt stellt den König mit Strenge, Vitalität und Stolz dar, alles wesentliche Merkmale eines Monarchen. Niemand konnte sich vorstellen, dass eine weibliche Künstlerin dieses Porträt damals gemalt hatte.

Die Enthüllung der wahren Künstlerin hinter Philipps Porträt erfolgte in den 1910er Jahren. Bis dahin erkannten die Historiker Coello als Urheber an, sowohl wegen der Aufzeichnungen als auch wegen der Ähnlichkeit seines Stils zu dem von Anguissola. Die beiden arbeiteten viele Jahre lang zusammen und beeinflussten sich gegenseitig.

Aufgrund der Art ihres Talents haben Historiker viele Werke Anguissolas fälschlicherweise als Werke Tizians oder Zurbarans bezeichnet. Solche Fehleinschätzungen ließen sich jedoch aufgrund zeitlicher oder geographischer Diskrepanzen leichter korrigieren.

2. Fehlzuschreibungen in der Kunst von Artemisia Gentileschi

Artemisia Gentileschi (1593-1653) war eine Barockmalerin des italienischen Barock. Ihr künstlerischer Ruf und ihre Leistungen haben in den letzten Jahren zweifellos eine beachtliche Anerkennung erlangt.

Diese Entwicklung ist auf die Entdeckung ihrer Signatur in vielen beeindruckenden Werken zurückzuführen, die zuvor Männern ihrer Zeit zugeschrieben wurden.

Das bekannteste Beispiel für eine fehlerhafte Zuschreiben eines ihrer Werke ist Gentileschis Darstellung der Geschichte von Susanna und den Ältesten. Darin spionieren zwei Männer der junge Susanna hinterher, während sie ein Bad nimmt. Diese Geschichte hat das Interesse vieler alter Meister geweckt. Anthonis Van Dyck, Rubens, Tintoretto und Veronese stellten sie alle mit wechselnder Gleichgültigkeit gegenüber der belästigten Frau dar.

Artemisia Gentileschi, Susanna und die Ältesten, 1610

Artemisia Gentileschi, Susanna und die Ältesten, 1610

Keinem dieser Künstler gelang es, sich dem Thema mit so viel Einfühlungsvermögen zu nähern wie Gentileschi. 

Artemisias Susanna ist verblüffend realistisch und weigert sich, sich ihrem eigenen Missbrauch hinzugeben. Sie ist weder reaktionslos noch unterwürfig, wie die früheren Darstellungen von Susanna sie sich vorstellen. Gentileschis Heldin hat keine Geduld für eine göttliche Einflussnahme. Sie nimmt die Situation in die Hand, indem sie die lüsternen Männer zurückstößt, um ihrer beklemmenden Gegenwart zu entgehen.

Dieses Gemälde wurde lange Zeit Artemisias Vater Orazio Gentileschi zugeschrieben. 

Die Bestätigung, dass es sich um das Gemälde seiner Tochter handelt, kam erst in den 1990er Jahren, als sich die Literatur über das Leben der Künstlerin verdichtete. Kunsthistoriker halten Susanna und die Ältesten heute für Gentileschis frühestes Meisterwerk. Sie war gerade siebzehn Jahre alt, als sie das Gemälde vollendete.

Es ist schwer, sich ein Mädchen in dem Alter mit einem so herausragenden Talent und einer so beeindruckenden Technik in der damaligen Zeit vorzustellen. Artemisia Gentileschi ist jedoch dafür bekannt, Erwartungen zu übertreffen.

Restauratoren korrigierten erst im Februar dieses Jahres eine weitere Fehlzuschreibung, die nun Gentileschi zugeordnet wird. Unseren Bericht dazu findest du hier.

Ein Gemälde mit dem biblischen Motiv des David und Goliath wurde nun offiziell Artemisia Gentileschi zugeschrieben, nachdem ihre Signatur bei der Restaurierung des Gemäldes entdeckt wurde.

Artemisia Gentileschi, David und Goliath, Späte 1930er Jahre, Foto: Simon Gillespie Studio

Artemisia Gentileschi, David und Goliath, Späte 1630er Jahre, Foto: Simon Gillespie Studio

3. Marie-Denise Villers

Marie-Denise Villers (1774-1821) war eine französische Malerin des Klassizismus und eine Spezialistin der Porträtmalerei und Schülerin von Jacques-Louis David.

Kunsthistoriker schrieben ihr Porträt von Marie Joséphine Charlotte du Val d'Ognes lange Zeit ihrem Meister Jacques-Louis David zu.

Marie-Denise Villers, Porträt von Marie Joséphine Charlotte du Val d'Ognes, 1801

Marie-Denise Villers, Porträt von Marie Joséphine Charlotte du Val d'Ognes, 1801

Das Werk ist in mehr als einer Hinsicht ein Rätsel. 

Die Szene ist überaus vielseitig, wenn man es mit der Einfachheit des Titels vergleicht. Während die junge Frau im Zentrum des Bildes steht, hat sie einen einsamen Gesichtsausdruck. Sie hält eine Tafel, auf der ein Gewebe liegt, das aussieht wie Leinwand. 

Hinter ihr sehen wir ein Fenster mit einer zerbrochenen Glasscheibe. In der Ferne kann ein verliebtes junges Paar wahrgenommen werden. Diese Komposition, zusammen mit dem intensiven Kontrast von Licht und Schatten, schafft eine beunruhigende Atmosphäre für ein auf den ersten Blick banales Porträt.

Die Urheberschaft des Gemäldes ist seit Jahrhunderten ebenso vage und umstritten. 

Jacques-Louis David war der erste Name, der als potenzieller Urheber in Frage kam, und es ist nicht schwer zu erkennen, warum. Die fehlerhafte Zuschreibung geschah wahrscheinlich irgendwann nach dem Erwerb des Porträts durch die Familie du Val d'Ognes. Es ist nicht bekannt, ob dies absichtlich geschah oder nicht. Vielleicht wollte sich die Familie damit profilieren, ein Werk des berühmten Künstlers zu besitzen.

Das Metropolitan Museum of Art erwarb das Gemälde 1917. Im Jahr 1951 bestätigte der damalige Kurator des MET, Charles Stirling, dass das Gemälde erstmals im Pariser Salon von 1801 ausgestellt wurde. Das war jenes Jahr, in dem Jacques-Louis David die Ausstellung boykottierte, weshalb er nicht mehr als Urheber in Frage kam. Stirling schlug dann vor, dass eine Frau diese Leinwand gemalt habe.

Vier Jahrzehnte (1995) später konnte Margaret Oppenheimer stichfeste Argumente liefern, die seine Vermutung begründeten, indem sie die Aufzeichnungen von Jacques-Louis Davids Schülern genau untersuchte. 

Obwohl die Urheberschaft geklärt worden zu sein scheint, herrscht nach wie vor großes Interesse an dem Gemälde. 

Im Jahr 2011 argumentierte die Kunsthistorikerin Anne Higonet, dass es sich bei dem Gemälde um ein Selbstporträt der Künstlerin handelt. Die Familie du Val d'Ognes habe es erst nach dem Kauf als Porträt der Charlotte du Val d'Ognes bezeichnet, woraufhin sich dieser Titel möglicherweise fehlerhaft durchgesetzt hatte.

Für die These eines Selbstportäts von Marie-Denise Villers spricht, dass die Gesichtszüge der Dargestellten der Art ähneln, wie Villers' Schwester (Marie-Victoire Lemoine, ebenfalls Malerin) sie darstellte.

Marie-Victoire Lemoine, Portrait von Marie-Denise Villers, 1798-99

Detail: Marie-Victoire Lemoine, Portrait von Marie-Denise Villers, 1798-99

Unabhängig der Spekulationen um die abgebildeten Personen stellt dieses Werk eine meisterhafte Darstellung einer jungen Künstlerin dar. 

In den letzten zwei Jahrzehnten war es in Ausstellungen in den Vereinigten Staaten und in Europa zu sehen. Das Gemälde hat es geschafft, mit seiner kraftvollen Energie und seiner rätselhaften Komposition selbst jene Museumsbesucher zu verzaubern, die sich der komplizierten Geschichte dahinter nicht bewusst sind.

Lenny
Der AutorLenny
Als Gründer von Daskreativeuniversum teile ich mein Fachwissen im Bereich der Kunstgeschichte und meine Erfahrungen in der zeitgenössischen Kunst mit dir.